„Finale kurioso“ in der Landesliga

In einem Fußballstadion darf man jederzeit seiner Freude am Spiel freien Lauf lassen und brüllen, rufen, jubeln und klatschen. Im Schachsport ist das – nun ja, ein wenig anders. Ich habe an diesem Wochenende viele Menschen gesehen, die Mühe damit hatten, ihre Emotionen verbergen zu müssen und den Frust über den Misserfolg, die Schockstarre bei einem schlechten Zug, die allgemeine Freude am Spiel, die Begeisterung einer schönen Gewinnkombination, den Jubel über den Erfolg und das Klatschen vor Glück nur im kleinen Kopfkino abspielen zu lassen. Manchmal erhascht man jedoch Augenkontakt zu jemanden, der gerade den gleichen Film anschaut. Es folgt ein Augenzwinkern, ein Lächeln, gerümpfte Nasen oder vielleicht verdrehte Augen. Also fast so wie in einem Fußballstadion, nur eben anders.

Doch jetzt zur Chronologie der Ereignisse. Am 13. /14.04.2019 fand die zentrale Endrunde in der Landesliga Hamburg statt, im Prinzip wie in der Stadtliga letztes Jahr – nur als Wochenendausgabe und mit zwei Schiedsrichtern gleichzeitig.

Als einer von drei Aufsteigern haben wir bis zur zentralen Endrunde an diesem Wochenende eine richtig tolle Saison gespielt. Und dabei haben wir nicht mal viel Glück gebraucht, die Ergebnisse waren wirklich verdient. Nach 7 Runden standen wir auf einem sicheren 4. Platz mit 9 Mannschaftspunkten.

Doch aufgrund der diesjährigen Konstellation in der Oberliga Nord Nord sollte es in der Landesliga gleich 4 Absteiger geben und rechnerisch sollten wir aus den letzten beiden Kämpfen noch einen Punkt holen, um ganz sicher zu gehen.

SAMSTAG – „fliegende Türme und Frostbeulen“

Der Samstag fing bereits vielversprechend für uns an.

Diogenes II stand bereits als Absteiger fest und setzte gegen uns lediglich 6 statt 8 Spieler ein. Thomas und Nikolas durften nach einer Stunde einen kampflosen Punkt verbuchen. Bei den frostigen Temperaturen in der Schulkantine „alter Teichweg“ (die obere Fensterreihe war gekippt und konnte erst 4 Stunden später mit dem Generalschlüssek elektrsch geschlossen werden), kamen wir ansonsten nicht so recht in Schwung, sodass Diogenes mit 3 Weißsiegen wieder herankam.

Doch dann kam die Zeitnotphase – Jürgens Gegner hatte nur noch Sekunden auf der Uhr und beim Ausführen seines 40. Zuges rutschte ihm der Turm aus den Fingern und flog über das Brett – Zeitüberschreitung. Kurz darauf sackte Christoph im Turmendpiel einen zweiten Bauern ein und vermeldete ebenfalls einen vollen Punkt. Carina spielte die letzte auststehende Partie. Nach ungefähr 6,5 Stunden brachte Sie ihren Vorteil im Endspiel noch routiniert nach Hause und sorgte für den Mannschaftssieg. Mit dem 5:3 waren wir endültig alle Sorgen los und konnten uns den anderen Partien widmen.

Im Kampf um Platz 1 trafen Tabellenführer Diagonale und Verfolger HSK IV direkt aufeinander. Zwar darf der HSK mit der vierten Mannschaft nicht in die Oberliga aufsteigen, da dort bereits der HSK III spielt und nur eine Mannschaft pro Team in den ersten drei Ligen antreten darf, jedoch wollten sie ernsthaft um die Meisterschaft kämpfen und boten ihre Bretter 1-8 auf. Lange Zeit sah es so aus, als würden sie den Kampf für sich entscheiden, doch am Ende reichte es nur zu einem 4:4. Verfolger Union Eimsbüttel gewann derweil das Match gegen Weiße Dame und zog mit dem HSK nach Punkten gleich.

Im Abstiegskampf konnte sich St. Pauli III mit einem Sieg gegen Großhansdorf aus eigener Kraft retten – SKJE II hingegen gewann hoch gegen Schlusslicht Barmbek und schöpfte wieder Hoffnung, dem Abstieg mit einem weiteren Sieg in der Schlussrunde  nochmal entgehen zu können.

SONNTAG – Rehhagel und das grande Finale

Die Tabelle versprach nun einiges an Spannung. Bei einem Ausrutscher von Diagonale könnten sich der HSK oder Union Eimsbüttel noch an den Harburgern vorbeischieben.

Im Abstiegskampf trafen hingegen Weiße Dame und SKJE II direkt aufeinander. Der Sieger war definitiv gerettet, da Großhansdorf selbst bei einem Sieg nicht genug Brettpunkte für Tabellenplatz 6 aufzuweisen hätte. Die mussten widerum ihr Spiel gegen Diogenes II besttreiten und auf ein 4:4 der Kontrahenten hoffen. Nochmal zur Erinnerung – Platz 7 – Platz 10 würden definitiv absteigen !

Wir allerdings konnten unser Match gegen HSK IV gelassen angehen, und so verwunderte es auch nicht, dass relativ schnell zwei Kurzremise bei Christoph und Phillip zustandekamen.

Jürgen reihte sich nach 10 zusätzlichen Zügen ebenfalls in die Reihe der „Remisschieber“ ein. Und auch Alexander und Thomas einigten sich mit ihren Gegner auf den Friedensschluss – jedoch erst nach  der Zeitnotphase und zwei hart umkämpften Partien.

Auch Nikolas hatte in der Zeitnotphase nichts gegen ein Remis einzuwenden, schließlich gab sein Gegner Dauerschach und die Stellung wiederholte sich bereits zum dritten Mal. Einziges Manko – die Reklamation auf Stellungswiederholung muss erfolgen, wenn man selbst am Zug ist. Daher hat der Schiedsrichter den Einwand von Nikolas nicht akzeptiert. Zum Glück für ihn ließ sich sein Gegner anschließend auch nicht auf die erneute Zugwiederholung ein und Nikolas konnte am Ende noch gewinnen. Zwischenstand : 3,5 : 3,5, wobei Carina wie am Vortag die entscheidende Partie austrug….

NERVENKITZEL IM ABSTIEGSDUELL

Währenddessen zeichnete sich eine Tendenz im Kampf um den Klassenerhalt ab. Diogenes II war heute nicht nur vollzählig, sondern auch sehr kampfstark. Obwohl Großhansdorf an den vorderen zwei Brettern ihre starken Titelträger aufstellten, kamen sie nicht über ein 4:4 hinaus und standen neben Barmbek und Diogenes II als weiterer Abestieger fest. Die Entscheidung sollte also im Spiel zwischen Weiße Dame und SKJE II fallen. Weiße Dame genügte bereits ein Unentschieden und als sich der Rauch nach der Zeitnotphase legte, führten sie mit 4:2. Die Entscheidung war gefallen. Weiße Dame gewann letztendlich noch 4,5 : 3,5 und spielt auch nächstes Jahr in der Landesliga.

EIN FORMFEHLER ENTSCHEIDET DEN AUFSTIEG !

Derweil tat sich auch so einiges in den anderen Begegnungen. Der Tabellenführer Diagonale Harburg durfte durchaus selbstbewusst auftreten, konnte man doch erst gestern die Attacke des Verfolgers abwehren und nun, im letzten Kampf der Saison, wartete der SK Barmbek, der zuvor keinen einzigen Mannschaftspunkt holen konnte. Aber Totgesagte leben länger… die Barmbeker Schachfreunde spielten frei auf und fügten dem Ligaprimus tatsächlich die erste Saisonniederlage zu ! Wenn es da nicht diese unglückliche Formalität gegeben hätte. Wie einst Otto Rehhagel 1998 als Trainer vom 1. FV Kaiserslautern gegen den Vfl Bochum den vierten Nicht-EU-Spieler einwechselte und damit die Partie verlor, so war es heute irgendwie auch.

Auf dem Meldezettel stand klar und deutlich : an Brett 8 wurde seitens Barmbek der Spieler GIEHRING aufgestellt. Gespielt hatte jedoch der Spieler STIEMER. Das erspielte Remis wurde durch einen kampflosen Punkt für Diagonale ersetzt. Eine vermeidbare Verwechslung entscheidet den Aufstieg in die Oberliga Nord Nord ! Denn im Duell Union Eimsbüttel – St. Pauli III setzten sich die Unioner knapp mit 4,5:3,5 durch und sind jetzt nur aufgrund der Brettpunkte auf dem zweiten Tabellenplatz.

Hatte der HSK denn noch Chancen auf den Titel ? Nun, dann hätten Sie uns sowieso sehr hoch besiegen müssen, doch dank Carina und ihre souveräne Endspieltechnik erreichten wir sogar ein 4:4 und konnten erhobenen Hauptes den Heimweg antreten.

FAZIT

  • Eine tolle Saison für unsere Mannschaft
  • Die zweite Saison ist meist die schwerste. Vor allem, wenn so viele gute Mannschaften von oben absteigen. Aber schaun mer mal…
  • Eine zentrale Endrunde im Wochenendformat macht richtig Laune, sofern man selbst nicht unter Druck steht
  • Nächstes Jahr bitte im Fußballstadion. Mit Brüllen. Mit Jubeln. Und mit Klatschen.

2 Kommentare

  1. Als Augenzeuge der letzten…

    Als Augenzeuge der letzten Runde konnte ich das ganze Spektakel in vollen Zügen genießen. Die zentrale Endrunde verbreitet immer ein besonderes Flair, welches Jürgen in seinem Artikel prima eingefangen hat. Natürlich galt mein Augenmerk unserer Mannschaft, die gegen das nominell und tabellenmäßig zweitstärkste Team HSK IV angetreten ist. Aber auch das „Drama von Barmbek“, der Aufstellungsfehler an Brett 8 in der Begegnung Diagonale gegen Barmbek, der möglicherweise Union Eimsbüttel den Titel gekostet haben dürfte, war auf den Fluren Gesprächsthema.   

    Unsere Mannschaft hat bis zum letzten Zug eine hervorragende Saison gespielt. Als bereits die Stühle hochgestellt wurden, sicherte Carina in einem sehenswerten Endspiel das erforderliche Remis zum 4:4-Endstand (siehe auch den Bericht von Hauke Reddmann auf der Verbandsseite).

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